Ein runder Geburtstag – ein rundes Ding?

Geht es euch auch so, dass ihr euch vor einem runden Geburtstag eine ruhige Ecke sucht und die letzten Jahre durchdenkt? Mir geht es auf jeden Fall so. Weiß aber gar nicht mehr, ob das bei den Letzten auch so war. Dieses Mal hat es mich ziemlich erwischt und da ich schreiben muss, wenn meine Gedanken meinen Kopf fast zum Platzen bringen, schreibe ich einfach mal nieder, was mir alles so eingefallen ist.

1972 – 1982

Nun ja. Über die ersten 10 Jahre gibt es nicht wirklich Aufregendes zu erzählen. Ich war klein, unschuldig und brav. Hoffe ich zumindest 😀 Obwohl an einem Sonntag in der Walpurgisnacht um 20:20 Uhr geboren. Auch Hexen können lieb sein – wenn sie wollen.

Klein Kerstin 1973

Mein Highlight war vermutlich der Umzug aus einer kleinen Altbauwohnung in eine große, moderne 5-Raum-Wohnung. Ist schon aufregend, wenn man sich plötzlich nicht mehr das Zimmer mit den kleineren Geschwistern teilen muss.

1982 – 1992

Dieser Block war schon aufregender: Jugendlicher, erste Liebe gefunden und verloren. Sich in den verschiedenen Dingen ausprobiert.

Bei den Eltern ausgezogen und das erste eigene Geld verdient.

mit René 1988

Den großen Umbruch der DDR erlebt. Allerdings eher nebenbei. Politik hat mich nicht wirklich interessiert. Und da Alle um mich herum die Änderung toll fanden, hab ich mich halt angeschlossen.

Viel mit dem Jugendchor unterwegs gewesen – das waren definitiv ALLES Höhepunkte, die mich sehr geprägt haben und die ich nicht missen möchte. Da existieren Fotos und Erinnerungen, bei denen ich immer wieder schmunzeln muss.

1992 – 2002

Für diese Jahrzehnt muss ich ganz tief Luft holen und ein Taschentuch bereitlegen. Mindestens eins.

Alles begann sehr rund. Das Leben lief in geordneten Bahnen und ich erhielt so nebenbei einen Heiratsantrag, den ich angenommen hab. Und so fand ich mich 1995 das erste Mal vor einem Standesbeamten und bejahte, dass ich diese Ehe möchte.

Wie viele andere Paare auch, fehlte uns noch ein Kind. Doch irgendwie sollte es mehrfach nicht sein und die Hoffnung verschwand immer mehr, dass uns dieser Wunsch noch erfüllt wird. Nach einer Gentherapie erblickte dann aber doch meine Tochter 1999 das Licht der Welt. Diese Zeit kann ich kaum beschreiben. Sehr aufregend. Sehr intensiv und einzigartig. Wunderschön. Wie jeder Moment mit ihr.

mit Michelle 1999

Dass ich dann Ende 2001 doch noch einmal mit eineiigen Zwillingen schwanger wurde, hat uns sehr erstaunt. Aber auch auf diese beiden Mädchen haben wir uns natürlich sehr gefreut. Eine neue Wohnung war gefunden und der Bauch wuchs und wuchs. Doch leider bildeten sich die Beiden nicht wie vorgesehen und ich musste mich im Januar 2002 im Alter von 13 Wochen + 6 Tagen von den Beiden verabschieden.

Dies hat mir ziemlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie mit diesem Schmerz, diesem Verlust umgehen? Schließlich habe ich die Beiden schon gespürt und sie waren real. Sehr schlimm war auch der ganze Ablauf im KKH dann. Aber auch das hab ich irgendwie überstanden. Und ich dachte, schlimmer kann es niemals werden!

2002 – 2012

Nach dem Verlust der Babys war ich so durch den Wind, dass ich nur noch weg wollte. Weg von Allem. Weit weg nach Möglichkeit. Ich wollte mich nicht mehr erinnern müssen. Wollte nicht ständig darüber nachdenken und weinen. Ich glaube, ich hab sehr viel geweint in dieser Zeit. Automatisch hab ich mir den Verlust auch selbst zugeschrieben. So, als hätte ich etwas daran ändern können. Konnte ich aber nicht. Damals war mir das aber nicht bewußt. Mein Ruf nach „weit weit weg“ wurde erhört und unsere kleine Familie zog Mitte 2002 nach Sachsen-Anhalt in das Haus, dass mein Mann ein paar Jahre zuvor geerbt hatte.

mit Michelle 2005

So ein eigenes Haus hat schon was. Ja, es wartete unheimlich viel Arbeit auf uns. Aber wir waren jung und optimistisch bis zum gehtnichtmehr. Nichts und Niemand konnte uns aufhalten.

Außer wir uns selbst.

Was auch immer mit uns passierte. Wir haben nicht genug aufeinander geachtet und uns eher geschadet, als unterstützt. Und so kam es, dass ich Ende 2007 mit Michelle wieder nach Berlin gezogen bin und 2009 geschieden wurde.

Nicht so einfach mit so einem Zwerg ein neues Leben zu beginnen. Es tut mir so unendlich leid, was sie in dieser Zeit mit uns Erwachsenen durchgemacht hat. Ein Kind sollte nicht erleben müssen, wie die Eltern im Streit auseinander gehen. Aber es war halt so und wir haben es nicht besser hinbekommen.

mit Michelle 2008

Und dann kam da auch noch recht schnell Stephan in mein Leben, der sich unheimlich um sie bemüht hat.

2012 – 2022

Zum Glück verstanden die Beiden sich super und ehe ich mich versah, sagte ich 2012 noch einmal „Ja“ zu einem Mann und der Ehe mit ihm.

Die Welt war wieder in Ordnung und niemand konnte uns auseinanderbringen. Niemand. Außer Gevatter Tod. Den kann man nicht aussperren oder bitten, doch in ein paar Jahren nochmal vorbei zukommen.

Und so standen Michelle und ich Ende 2015 plötzlich vor seinem Grab und wieder alleine da. Natürlich war die Situation diesmal eine ganz andere. Und sie war eine mega große Unterstützung in der darauffolgenden Trauerzeit. Das Loch war tief, schwarz und undurchdringlich in das ich gefallen bin.

Und dann kam da mein Ritter in strahlender Rüstung daher. Im Rückblick versteh ich immer noch nicht, wie das sein kann, das Alles zeitlich so gepasst hat. René war 25 Jahre zuvor meine erste große Liebe und fand mich über social Media. Wir hielten lockeren Kontakt und trafen uns nach Stephans Tod zum Reden. Von Altem und Neuem. Über Alles und Nichts. Bei ihm konnte ich trauern und weinen ohne, dass es irgendwelche Worte gebraucht hätte. Er gab mir alle Zeit der Welt und war mein absoluter Ruhepol, der mich ins Leben zurückholte.

Natürlich fehlt Stephan. Noch immer. Er war ein wunderbarer Mensch, der der Welt noch so viel gegeben hätte. Aber ich kann seinen Tod nicht ändern und muss selbst weiterleben. Und ab und an an ihn denken und ihm ein bisschen was aus meinem leben erzählen. Er hätte sich für mich/uns gefreut – ich weiß es genau.

2016 zog auch Duplo bei uns ein. Naja, eigentlich zu Michelle, denn er ist ihr Hund.

Duplo 2016

Durch dieses Erlebnis änderte sich mein Blick auf das Leben sehr. Ich versuche, nichts mehr hinauszuschieben. Denn es kann sein, dass ich morgen halt nix mehr erledigen kann. Ich lernte, dass einer meiner bisherigen Lieblingssprüche von Scarlett O’Hara doch nicht das Gelbe vom Ei ist: „Aber nicht heute. Verschieben wir es auf morgen“.

Und daher machten René und ich recht schnell „Nägel mit Köpfen“ und ich gab auch ihm 2018 mein „Ja“. Viele fanden das zu schnell und waren unserer Verbindung skeptisch gegenüber eingestellt. Aber das war uns egal! Wir wollen es auf jeden Fall versuchen, diesmal richtig zu machen. Schließlich haben wir in den vergangenen 30 Jahre jede Menge dazugelernt und wollen uns nicht mehr missen.

mit René 2018

Michelle ist nun erwachsen und bei uns ausgezogen. Lebt ihr eigenes Leben, ihre eigene Liebe und kleine Familie. Schon aufregend, dass nun aus der Ferne zu beobachten.

Wir versuchen, aber so gut wie möglich, Kontakt zu halten. Und ab und an schaffen wir es auch, uns zu treffen und zusammen etwas zu unternehmen. Immer ein besonders schönes Erlebnis.

mit Michelle 2002
mit Michelle 2022

30.04.2022

Nun sind also fast 50 Jahre meines Lebens um. Es war ein ziemliches Auf und Ab. Und doch möchte ich kein Erlebnis missen und würde auch nichts ändern wollen. Auf keine Erfahrung verzichten. Denn das Alles und noch viel mehr hat mich zu der gemacht, die ich heute bin.

Und so freue ich mich auf Samstag und bin mega gespannt, was der nächste 10er Block bringt und hoffe, dass ich diesen erleben und genießen darf. An der Seite meines Mannes.

mit René 2022

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